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Warum die TV-Serie “The Fosters” schon auch nervt

The Fosters ist 2013 auf dem Fernsehsender “abc family” gestartet und läuft inzwischen in der 2. Staffel. Die Serie, die u. a. von Jennifer Lopez produziert wird, spielt in San Diego – bzw. in einem dortigen Vorort – und handelt von dem lesbischen Paar Stef and Lena, die gemeinsam 5 Kinder versorgen.

Eines der Kinder, Brandon, ist der biologische Sohn von Stef und ihrem Ex-Mann Mike. Mariana und Jesus sind Zwillinge, die im Alter von 11 Jahren von Lena und Stef adoptiert wurden, weil deren drogensüchtige Mutter die beiden zurückgelassen hat. Callie und ihr Bruder Jude werden zu Beginn der 1. Staffel in der Familie aufgenommen. Stef und Mike sind Police Officers und arbeiten gemeinsam bei der Polizei. Lena arbeitet als Konrektorin einer Privatschule, die auch ihre Kinder besuchen. Das Foster-System (Pflege-/Adoptionssystem) der USA wird oft kritisiert und dessen bürokratische Wege als beschwerlich und überflüssig dargestellt.

Callie wird in der ersten Folge der Serie von Stef und Lena aufgenommen. Als sie merkt, dass sie offenbar ein lesbisches Paar vor sich hat, fragt sie die beiden irritiert, ob sie “Dykes” (dt: Lesben) seien. Es folgt betretenes Schweigen. “Dykes” ist offenbar nicht der Lieblingsbegriff des Paares. Ihr Sohn Jesus erwidert: “They prefer the term ‘people’. But yeah, they’re gay.” (dt: “Sie bevorzugen die Bezeichnung ‘Menschen’. Aber ja, sie sind homosexuell.”) Callie versucht, die weiteren Familienverhältnisse herauszufinden und fragt, ob Brandon “the real son” (dt: “der echte Sohn”) sei. Wieder betretenes Schweigen. Eine moderne Familie also, vor allem aber eine unbedingt normale Familie. Alle Kinder sind gleichermaßen wertvoll, egal, ob sie biologisch miteinander verwandt sind oder nicht. Aber offenbar am wichtigsten: Die Eltern sind keine Lesben, sondern Menschen. Entsprechend äußert sich Lena im späteren Verlauf der Serie gegen Quotenregelungen: Mariana fragt Lena, ob es nicht gerechter wäre, wenn sie in ihre Tanzgruppe an der Schule den offenen Platz mit einer Person of Color besetzen statt mit einer Weißen. Für Lena wäre dies aber eine ungerechte Entscheidung, da Gleichberechtigung allein durch das Vorhandensein diverser und unterschiedlicher Menschen und Lebensentwürfe entstehe und nicht durch Bevorzugung von diskriminierten Schüler_innen.

Rassismus und kulturelles Erbe

Tatsächlich wird Rassismus in der Serie aber oft spannend thematisiert. Mariana lernt in der zweiten Staffel Mat Tan kennen, der sie zu einem mexikanischen Straßenfest mitnimmt. Dort sieht Mariana zufällig ihre Geburtsmutter Ana, flieht vor ihr und beginnt einen Streit mit Mat Tan darüber, wieso er sie überhaupt hierhin mitgenommen habe. Sie erklärt ihm, dass Ana ihre einzige Verbindung zur mexikanischen Kultur sei und dass sie deswegen eine Abneigung dagegen aufgebaut habe. Bereits in vorigen Episoden wurde thematisiert, dass Mariana ihre Haare blond färbt, um vermutlich besser in ihren Freundeskreis zu passen, was nicht ausschließlich positiv von ihrem Umfeld aufgenommen wird. Die Themen kulturelles Erbe und Rassismus werden in der Serie immer wieder aufgegriffen.

Als Lena schwanger werden möchte, wünscht sie sich eine Person of Color als Samenspender und thematisiert dies mit Stef, die ihr darin nach einem kurzen Moment der Irritation zustimmt. (Diese Szene erinnerte mich übrigens sehr an The L Word, als Bette und Tina genau diese Diskussion auch hatten, allerdings in größerem Ausmaß.) Beziehungen, in denen eine Person Weiß ist und eine Person of Color, werden bei lesbischen Paaren in US-amerikanischen Fernsehserien meiner Einschätzung nach häufiger dargestellt als bei schwulen Paaren (z. B. die Lesbenpaare in in Glee, Grey’s Anatomy und Pretty Little Liars, um nur ein paar Beispiele zu nennen). Ich bin mir noch nicht sicher, warum das so ist. Vielleicht ist das weiße, schwule Power-Couple einfach zu beliebt (z. B. die Schwulenpaare in Desperate Housewives, Glee und Modern Family, um wieder nur einige Beispiele zu nennen).

Gender & LGBT*Q

Als Callie vorübergehend in einer sozialen Einrichtung untergebracht wird, weil ihr biologischer Vater plötzlich ungeklärt ist und sie nicht mehr bei Stef und Lena bleiben darf, lernt sie dort Cole kennen, der transgender ist. Das Wohnheim wird von Rita (gespielt von Rosie O’Donnell) geleitet, die dort ca. 10 Jugendliche betreut. Darunter auch Cole, der seit einer Weile versucht, in ein LGBT*-Wohnheim aufgenommen zu werden und der darunter leidet, dass er kein Testosteron mehr verschrieben bekommt seit er im Foster-System ist. Nachdem Callie erst nicht weiß, was sie von Cole halten soll, akzeptiert sie ihn bald und verteidigt ihn gegen die Anfeindungen von anderen. Leider bleibt Cole eine Nebenfigur.

Gender und Performance ist oft ein Thema der Serie. Als Jude mit lackierten Fingernägeln in die Schule geht, wird er dort deshalb von anderen Jungs beschimpft und bedroht. Sein neuer Freund Connor ist erst unsicher, wie er sich dazu positionieren soll, während der Mittagspause sieht man ihn dann aber mit Jude am Tisch sitzen, beide grinsend und beide mit lackierten Fingernägel. Bald darauf verbietet der Vater von Conner ihm den Umgang mit Jude, weil er glaubt, Jude könnte schwul sein und sei somit ein schlechter Einfluss. Anschließend schleicht sich Connor heimlich zu Jude.

Kinder und Jugendliche ernstnehmen

Callie wurde von einem Foster-Bruder ihrer letzten Pflegefamilie vergewaltigt. Sie traut sich erst nicht, ihrer neuen Familie davon zu erzählen, aber als sie es doch tut, reagieren Stef und Lena empathisch und zweifeln keine Sekunde an der Wahrhaftigkeit von Callies Schilderung. Auch sonst gibt es weder Zweifel in ihrem Umfeld noch Victim-Blaming oder anderes diskriminierendes Verhalten Callie gegenüber. Als Jude plötzlich verstummt und aus psychischen Gründen nicht mehr mit seiner Umwelt verbal kommuniziert, wird er nicht pathologisiert oder aufgefordert zu sprechen, sondern er darf sich so viel Zeit nehmen wie er möchte bis er wieder spricht. Stef und Lena sind immer für die Kinder da, wenn sie dies brauchen, geben ihnen aber auch genug Raum und Zeit, sich zu entwickeln und sich selbst zu finden. Die Jugendlichen dürfen sexuelle Beziehungen führen sofern sie safe sind.

Class?

Lena und Stef haben gut bezahlte Jobs, haben ein großes Haus mit Garten, teure Autos, ihre Kinder können auf Privatschulen gehen und haben verschiedene Hobbys, spielen Musikinstrumente, machen regelmäßig Sport. Erstaunlich selten wird in der Serie über finanzielles Kapital und Klasse gesprochen. Zwar wird am Rande erwähnt, dass die Foster-Kinder froh sind (bzw. sein sollten), dass sie in diesem schönen Haus mit den liebevollen Müttern wohnen. Ob dies selten ist oder nicht, was dies für die Kinder bedeutet, was für eine Bedeutung soziale Herkunft hat etc. wird aber nicht wirklich thematisiert. Vielleicht wird deshalb bereits im einlullenden Titelsong gesungen: “It’s not where you come from, it’s where you belong.” Aber den Text könnte mensch möglicherweise auch positiver interpretieren.

Beziehungsmüde

So spannend einige Inhalte der Serie sind, so schrecklich finde ich die Beziehung von Stef und Lena. Über die Gründe musste ich eine Weile nachdenken, es war erst ein diffuses Gefühl der Abneigung. Irgendwann wurde mir dann klar: Die Beziehung ist mir zu glatt, zu langweilig, zu angepasst, und auch zu wenig respektvoll. Beide scheinen eine harmonische Beziehung zu führen, sie arbeiten Vollzeit in Berufen, die sie offenbar glücklich machen, betreuen hingebungsvoll aber auch routiniert ihre 5 Kinder, und als sie feststellen, dass sie lange keinen Sex mehr hatten, haben sie einfach doch einmal Sex, und alles ist wieder gut. Die Serie scheint eine Utopie von einer Welt zu zeichnen, in der durch Wohlstand alle Probleme verschwunden sind und Selbstverwirklichung und Glück durch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erlangt wird. Die Beziehung der beiden scheint mir außerdem nicht besonders respektvoll und empathisch. Sie streiten sich oft, ohne die Streits wirklich aufzulösen. Sie fällen eigenmächtige Entscheidungen ohne Absprachen, die das Leben der jeweilig anderen jedoch stark beeinflussen (z. B. die Schwangerschaft von Lena, die sie erst ohne Stefs wissen anstrebt). Sie leben oft aneinander vorbei ohne die Umstände, die dazu führen, zu benennen oder gar aufzubrechen. Der Lebensstil, der sich stark an herkömmlichen kapitalistischen, heterosexuellen Familienstrukturen orientiert, wird weder als solcher thematisiert noch werden Alternativen dazu gezeigt.

Obwohl ich also einige Handlungsstränge von The Fosters für gut gemacht halte, so anstrengend ist der Kern der Serie, die lesbische, monogame Paarbeziehung der Mütter. Die beiden sind auch ausschließlich Mütter, keine Frauen, keine Freundinnen, keine Liebhaberinnen. Ich kann mich nicht mal erinnern, dass irgendeine Freundschaft der Frauen mit einer dritten oder vierten Person gezeigt wurde. Gegenseitig nennen sich die beiden gegenüber anderen übrigens “Mama”, was ich auf so vielen Ebenen schlimm finde und was mich auch wieder sehr an Bette und Tina aus The L Word erinnert hat – nur, dass es dort innerhalb der Serie kritisiert und von Bette und Tina geändert wurde (“Mama T and Mama B do not make mad, passionate love to one another. They make cookies.”). Nicht dass The L Word dagegen so grenzenlos positiv und kritikfrei gewesen wäre, aber The Fosters bleibt beim Thema (Paar-)Beziehungen sogar dahinter zurück. Leider gab es in der Serie (bisher) noch keine “Boring-Intervention” wie damals bei Bette und Tina (Staffel 1 von The L Word). Ich mochte die Szene ja und wünsche sie mir für die Fosters:

Bildnachweis: Pexels / 9144 images