Dies ist ein persönlicher Bericht darüber, wie es für uns – Sam und Katja Ken – war, als nicht-binäre trans Personen eine Mastektomie (kurz “Mastek” und im Englischen auch “Top Surgery” genannt) in Deutschland zu bekommen.
Unsere Erfahrungen zu Mastektomie und Personenstand haben wir zwischen 2019 und 2021 gemacht. Da sich in Deutschland aktuell (2022) ein neues Selbstbestimmungsgesetz abzeichnet, könnten diese Erfahrungen (hoffentlich!) bald schon nicht mehr richtungsweisend sein. Bekannterweise mahlen die Mühlen der Bürokratie aber langsam, und die der Krankenkassen erst recht. Dementsprechend haben wir uns dazu entschlossen unsere Erfahrungen trotzdem zu veröffentlichen.
Für uns beide bedeutet „trans“ sein, dass sich ein Mensch nicht mit dem Geschlecht identifiziert, das nach der Geburt festgelegt wurde. In unserem Verständnis kann das für binäre als auch nicht-binäre Personen (auch abgekürzt „enby“ für non-binary) gelten. Deshalb bezeichnen wir uns sowohl als nicht-binär, als auch als trans. Jedoch nicht jede nicht-binäre Person bezeichnet sich als trans, das ist immer eine persönliche Entscheidung.
Was hat Gender mit Operationen zu tun?
Unsere (europäisch-westliche) Gesellschaft unterteilt Menschen immer noch in die Geschlechterkategorien männlich und weiblich. Für viele ist es dabei nur schwer auszuhalten, wenn sie eine Person nicht „eindeutig“ einlesen können. Dieser Zwang einzulesen und eingelesen zu werden, kann unter anderem Probleme für Menschen mit sich bringen, die nicht „aussehen“ wie die Geschlechtsidentität, die sie haben. Das ist natürlich erstmal das Problem der lesenden Person, aber es macht natürlich auch was mit der Person, die ständig „gendermäßig“ gelesen wird.
Um bei einem Beispiel zu bleiben, das zum Thema Mastek passt (obwohl es unzählige und unterschiedlichste Beispiele gibt): Manche Menschen wurden nach ihrer Geburt als Mädchen/weiblich definiert (AFAB = „assigned female at birth“), haben sich aber nie so gefühlt. Vielleicht haben diese Menschen irgendwann festgestellt, dass sie ein Mann sind und das auch ganz deutlich fühlen. Trans Männer lassen oft (aber auch nicht immer) eine Mastektomie vornehmen, damit sie sich wohler fühlen. Vielleicht auch, um ein männliches „Passing“ zu haben, also als Mann (ein)gelesen zu werden.
Möglicherweise hat die AFAB Person aber auch festgestellt, dass sie gar nichts mit dem Konzept „Zweigeschlechtlichkeit“ anfangen kann und hat dann für sich einen Begriff wie „nicht-binär“, „agender“ oder „genderqueer“ gefunden. Entsprechendes kann logischerweise auch gelten für AMAB Personen („assigned male at birth“, also nach der Geburt als Junge/männlich definiert), nur dann meist mit anderen Bedürfnissen als eine Mastek.
Warum eine Mastek als nicht-binäre Person?
Wer nach der Geburt als Mädchen definiert wurde, dies später im Leben aber nicht fühlt, kann Probleme damit haben, einen Körper mit feminin gelesenen Brüsten zu haben. Das muss aber nicht sein, nicht jede trans Person hat „Geschlechtsdysphorie“ (das beschreibt das schmerzliche Gefühl, wenn der eigene Körper nicht zur Geschlechtsidentität passt). Eine Mastektomie meint die Entfernung der Brustdrüsen/Brustgewebe und meist auch Fettgewebe drumherum. Diese OP kann Menschen mit bestimmten Formen von Geschlechtsdysphorie helfen, sich selbst besser zu fühlen oder/und auch von der Umwelt nicht mehr oder nicht immer eindeutig als Frau gelesen zu werden. Sowohl bei trans Männern kann dies so sein, aber auch bei nicht-binären Personen und bei vielen anderen Identitäten außerdem.
Dass die Bedürfnisse von trans Personen in der medizinischen Versorgung nicht gut berücksichtigt werden, ist zwar nicht nur in Deutschland so, aber wir können natürlich nur aus diesem Land berichten, in dem wir leben und diese Erfahrungen gemacht haben. All das ist besonders für nicht-binäre trans Personen nicht so einfach, da medizinische Versorgung für nicht-binäre trans Personen nicht mal gesetzlich richtig definiert ist. Deshalb haben wir uns (zwei enbys, die sich nichts sehnlicher als eine Mastek gewünscht und – spoiler alert – sie auch bekommen haben) entschieden, unsere lange Reise für die, die vielleicht gerade noch am Anfang stehen, aufzuschreiben. Wir möchten auf diese Weise unsere Erfahrungen und die möglichen Problemlösungen teilen.
Jedoch müssen wir auch nochmal deutlich sagen, dass es kein Standardvorgehen gibt. Zum einen, weil trans Personen unterschiedliche Bedürfnisse haben, zum anderen, weil, das deutsche Gesetz aktuell eben noch nicht viel hergibt, was nicht-binäre trans Personen betrifft.
Was ist aktuell die trans rechtliche Lage?
Die mit einer Mastek verbundenen bürokratischen und medizinischen Hürden sind für nicht-binäre Personen ein Wirrwarr an eigentlich gar nicht für diese Menschen bestimmten Vorschriften und Gesetzen.
Nicht-binäre Personen sind vor dem deutschen Gesetz gar nicht oder erst seit den Gesetzesänderungen zum „dritten Geschlecht“ (Stichwort Divers-Eintrag im Personenstand) 2019/2020 überhaupt existent und damit sind die Gesetze und Vorschriften auch erst seit diesem Tag für oder gegen uns anwendbar. Leider ist dadurch der Widerstand von Staat und Medizinwelt nicht geringer, eher das Gegenteil ist der Fall. Seit 2019 gibt es infolgedessen ein Hin und Her darüber, ob mit divers nun wirklich auch nicht-binäre Menschen gemeint sind oder nur intergeschlechtliche Personen. Im April 2020 gab es dann ein BGH-Urteil, nach dem auch nicht-binäre Menschen offiziell existieren 😉 Aber dies hat an dem leidigen Hin und Her nichts geändert. Ganz zu schweigen davon, dass die Idee von „mehr als zwei Geschlechter“ sowieso längst noch nicht in allen Köpfen angekommen ist.
Die Hürden zur sozialen, rechtlichen und medizinischen Transition sind für trans Personen immer schon nervenaufreibend, kräftezehrend und sehr anstrengend! Auch als trans Mann oder trans Frau ist die Transition unglaublich belastend, und je nachdem, welche Therapeut*innen / Gutachter*innen dir auf dem Weg begegnen, auch brutal, schrecklich und menschenverachtend. Der Weg führt traditionellerweise über das TSG, das „Transsexuellengesetz“. Dieses Gesetz wurde 1976 in Ostdeutschland und 1980 in Westdeutschland eingeführt und fordert seitdem so einigen Bullshit von trans Personen. Vieles wurde zum Glück in den letzten Jahrzehnten bereits “weggeklagt“, zum Beispiel müssen sich trans Personen seit 2011 nicht mehr sterilisieren lassen, um das TSG zu durchschreiten. Geblieben ist im TSG jetzt vor allem noch die Auflage, zwei psychiatrischen Gutachten einzuholen.
Was sollen die Gutachten untersuchen?
Diese Gutachten werden durch vom Amtsgericht beauftragte Gutachter*innen durchgeführt, meist Psychiater*innen. Es gibt auch Psycholog*innen, die Gutachten schreiben dürfen. Wer als Gutachter*innen in Frage kommt, entscheidet auf jeden Fall das Gericht.
Die Gutachter*innen sollen die Fragen beantworten: Ist die Person wirklich trans, oder liegt eine psychische Erkrankung vor? Wenn ja, ist die Person schon länger trans, also mindestens einige Jahre? Und ist es wirklich unwahrscheinlich, dass sich das nochmal ändern wird? Viele Gutachter*innen finden dieses Vorgehen inzwischen selbst absurd und sprechen sich für eine andere Lösung aus. Denn eigentlich kann nur jede Person selbst für sich bestimmen, welches Geschlecht sie hat.
Außerdem not so fun fact: Die beiden TSG-Gutachten kosten inklusive aller Gerichtskosten zusammen ungefähr 1.500 Euro, es kann aber auch teurer werden. Diese Kosten muss mensch IMMER selbst bezahlen. Bei geringem Einkommen und Vermögen besteht zumindest die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Das TSG dauert im Durchschnitt ein halbes bis ganzes Jahr, aber das kommt immer sehr auf den Einzelfall an.
Hier gibt es einen guten Überblick zum Ablauf des TSG: www.transsexualitaet.info/?page_id=118
Was für Transitionen gibt es?
Im Grunde gibt es drei Transitionen: die soziale Transition (mein Alltag und Umfeld, mein Selbstverständnis, welchen Namen und welches Pronomen ich benutze), die körperlich-medizinischen Transition (zum Beispiel Hormone, OP) und die rechtliche Transition (Namensänderung und/oder Personenstandseintrag).
Die rechtliche Transition
Seit 2019 sind folgende Einträge im Personenstandseintrag möglich: m/w/d/ohne. Seitdem gibt es auch die Möglichkeit, direkt über das Personenstandsgesetz die Änderung von Name und Geschlechtseintrags (= Personenstand) zu beantragen. Allerdings steht dies vor allem intergeschlechtlichen Personen offen. Diese müssen beim Standesamt eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, in der steht, dass bei ihnen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Teilweise wurde und wird diese Bescheinigung aber auch trans Personen ausgestellt. Staatlich gewollt ist dies zwar nicht, denn der Staat sieht diesen Weg nur für intergeschlechtlichen Personen. Eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ ist aber ein so schwammiger Begriff, dass viele Ärzt*innen finden, dass dies auch trans Personen einschließt.
Wichtig für trans Personen zu wissen ist: Die Änderung des Namens und/oder Geschlechtseintrags zieht nicht automatisch die Kostenübernahme von medizinischen Maßnahmen nach sich. In diesem Sinne ist die rechtliche Transition eigentlich klar getrennt von der medizinischen. Auch wenn die Krankenkassen dies meist selbst nicht so verstanden haben und vieles durcheinander werfen.
Die medizinische Transition
Traditionellerweise wird die rechtliche Transition von trans Personen meist in Kombination mit der medizinischen gemacht: Alles beginnt oft mit dem Gang zu einer*einem Therapeut*in der Wahl (möglichst kennt sich diese Person mit trans Personen aus) und der dortigen Feststellung: „Oh, Sie sind wohl trans!“ Damit kann mensch eine Überweisung zur Endokrinologie bekommen für Hormone, und/oder perspektivisch auch eine oder mehrere sogenannte „geschlechtsangleichende Operationen“. Das natürlich je nachdem, was die trans Person wünscht. Nicht alle trans Personen möchten überhaupt Hormone nehmen und/oder eine Operation.
Eher früher als später kommen dann auch schon die psychiatrischen Gutachten ins Spiel, weil sonst der Staat deinen Geschlechtseintrag und Namen nicht ändert, die Kliniken meist keine Operation durchführen (es gibt Ausnahmen), aber vor allem auch die Krankenkassen mit Sicherheit nicht die Kosten übernehmen. Apropos Krankenkassen, diese übernehmen auch bei binären trans Personen nicht immer die Kosten der Behandlung. Je nach Krankenkasse werden dann noch absurde Vorschriften gesetzt, zum Beispiel: „Die trans Person muss vor der OP 18 Monate lang zur Therapie gehen“. Oder: „die trans Person muss 6 Monate (oder auch mehr) bereits Hormone nehmen.“ Der Fantasie der Krankenkassen sind hier wohl keine Grenzen gesetzt.
Welche Gutachten brauche ich für welche Transition?
Die rechtliche und medizinische Transition vermischen sich oft auf nicht immer nachvollziehbare Weise. Denn eigentlich bezieht sich das TSG samt Gutachten nur auf die rechtliche Transition. Doch auch Kliniken finden, dass sie gern ein Gutachten hätten, bevor sie Geschlechtsorgane und Geschlechtsmerkmale operieren, zumindest bei trans Personen: Spannenderweise braucht ein trans Mann ein psychiatrisches Gutachten, um die Brüste entfernen zu lassen, doch die cis Frau braucht kein psychiatrisches Gutachten, um ihre Brüste vergrößern zu lassen.
Irgendwann auf diesem Weg der medizinischen Transition steht oft die Änderung des Personenstands an. Dies bedeutet, mensch kann den Geschlechtseintrag offiziell ändern lassen und/oder den Vornamen ändern lassen. Beides kann aber auch einfach bleiben, wie es ist – das darf die jeweilige trans Person großzügigerweise selbst entscheiden. Namen und Pronomen können aber theoretisch auch ganz ohne medizinische Transition geändert werden.
Wie sieht die medizinische Transition bei nicht-binären Personen aus?
Bei nicht-binären trans Personen ist es überhaupt nicht vorgesehen, dass sie trans medizinisch versorgt werden. Wie überwinde ich nun Vorschriften, die gar nicht da sind, weil es mich als nicht-binäre Person nicht gibt? Was, wenn ich Hormone nehmen möchte? Wenn ich eine OP brauche, eine Mastek, Implantate oder einen Aufbau, damit es mir endlich besser geht?
Viele nicht-binäre Personen, die eine Mastek bekommen haben, haben sich behelfsweise als trans Männer ausgegeben, um den traditionell binären Weg über das TSG gehen zu können. Dies kann allerdings je nach Person verschiedene Arten von Stress auslösen, unter anderem weil schon wieder eine Identität gespielt wird, die die Person nicht hat. Außerdem hat dieser Weg in der Vergangenheit immer bedeutet, dass Hormone (im Fall der sich eine Mastek wünschenden Menschen meist Testosteron, kurz “Testo”) eingenommen werden mussten. Nicht alle nicht-binären Menschen möchten oder brauchen aber Hormone. Doch dieser Weg ist natürlich eine Möglichkeit – und für nicht-binäre Menschen in der Vergangenheit die Einzige, die es überhaupt gab.
Wenn der Weg als trans Mann über das TSG nicht in Frage kommt, dann wird es für nicht-binäre Menschen, die eine Mastek möchten, schwierig. Aber keinesfalls unmöglich.
Hürde Nr. 1: Das Gutachten
Egal, ob binär oder nicht-binär trans: Ohne Gutachten geht es selten. Diese sind mit das stressigste am ganzen Transitionsprozess.
Sicherlich sind wir uns alle einig darin, dass einzig und allein jede Person für sich selbst entscheiden kann, ob und wenn ja welche Geschlechtsidentität sie für sich beansprucht und was die Person braucht, um sich in dieser Geschlechtsidentität wohl zu fühlen. Jedoch sehen das viele Kliniken leider noch nicht so und verlangen, wie bereits erwähnt, für die Durchführung der OP ein Gutachten. Es gibt Kliniken, die mindestens ein, am liebsten zwei Gutachten von Psychiater*innen möchten.
Du denkst vielleicht jetzt, dass diese Gutachten, wenn sie schon notwendig sind, lediglich dazu dienen sollten „andere Ursachen/Krankheiten“ als ein Transgeschlechtlichkeit für den Wunsch nach einer Mastek auszuschließen. Viele Gutachter*innen sehen dies leider ganz anders. Mitunter kommt es zu sehr persönlichen und intimen Fragen nach dem Sexleben und sonstigen Vorlieben der trans Personen. Wir haben da schon allerhand Gruseliges gehört. Dabei hat doch die Geschlechtsidentität (auch bei Menschen, die nicht trans sind) nichts mit der Sexualität und dem Sexualleben zu tun. Aber das wird leider generell in unserer Gesellschaft gern verwechselt.
Es gibt für nicht-binäre Menschen nun aktuell zwei Möglichkeiten, ein solches Gutachten zu bekommen: den Weg über das TSG und einen “selbst gebauten” Weg.
Weg #1 zum Gutachten für nicht-binäre Personen: der offizielle TSG Weg
Mit dem Urteil vom 22. April 2020 hat der BGH entschieden, dass nun auch nicht-binäre Personen zur Änderung ihres Namens und/oder ihres Geschlechtseintrags auf der Geburtsurkunde einen Antrag über das TSG stellen können. In dem Verfahren nach dem TSG werden entweder vom Gericht zwei Gutachter*innnen zugewiesen oder mensch schlägt selbst welche vor. Bei letzterer Variante müssen diese jedoch noch vom Gericht genehmigt werden.
Diese Gutachten kann mensch, wenn die Gutachten den dringenden Wunsch nach einer Mastek befürworten, dann auch für die OP verwenden. Ebenso kann mensch diese Gutachten bei der Krankenkasse einreichen, um die Übernahme der Kosten zu beantragen.
Vorteil: Mensch kommt wahrscheinlich ans Ziel. Es wurde zum ersten Mal in Deutschland von dem BGH bestätigt, dass nicht-binäre Personen („gefühlte Intergeschlechtlichkeit“, okay, nobody is perfect) existieren. YAY.
Nachteil/Risiko: Die Gutachter*innen können unterirdisch sein, es wird evtl. eine Therapie verlangt. Die Krankenkasse kann versuchen, die Einnahme von Testo zu einer Bedingung für die Kostenübernahme zu machen. Wenn mensch das nicht will, muss mensch die OP selbst bezahlen oder die Krankenkasse mit unbekanntem Ausgang vor dem Sozialgericht verklagen. Meist weigern sich die Krankenkassen aber auch unabhängig von der Einnahme von Testo die Kosten zu tragen, da es in ihrer Welt keine nicht-binären Personen gibt. Auch in diesem Fall kann die Krankenkasse verklagt werden.
Fazit: Geld, Geld, Geld, das Ganze kann sehr teuer werden.
Weg #2 zum Gutachten für nicht-binäre Personen: sich selbst Gutachter*innen suchen
Mensch sucht sich eine*n oder besser zwei Therapeut*innen oder besser gleich Psychiater*innen, die ein Gutachten alleine für den Zweck einer Mastek verfassen. Dies ist in der Theorie zwar logisch, in der Praxis aber leider nicht ganz so einfach. Hier einige der Hürden bei den von uns ausgewählten Therapeut*innen, über die wir so klettern mussten:
- “Ich habe keine Zeit.”
- “Ich habe keine Ahnung von trans.”
- “Ich habe Ahnung von trans, aber keine Ahnung von nicht-binären Personen.”
- “Ja, sehr gerne, aber nur wenn sie bei mir eine Therapie machen.”
- “Ja sehr gerne, aber ich bin dieses Jahr schon ausgebucht.” – “Dann merken Sie mich doch bitte für nächstes Jahr vor.” – “So lange im Voraus mache ich keine Termine, rufen Sie doch nächstes Jahr wieder an.”
- “Ja sehr gerne, die 500 km einfache Strecke zu mir sind doch sicher kein Problem für Sie?”
- “Ja klar, aber nur wenn ich offiziell im Rahmen des TSG beauftragt werde.”
Ihr erkennt sicher den Trend, aber prinzipiell ist es möglich!
Vorteil: Es ist in der Summe wahrscheinlich billiger als ein TSG Verfahren.
Nachteil/Risiko: Das Gutachten hilft euch dann nur bei der Mastek (wenn es denn hilft), aber wahrscheinlich nicht bei der Namensänderung oder dem Geschlechtseintrag, falls das gewünscht sein sollte. Wir haben es bereits geschrieben und müssen es hier noch einmal tun: Die Gutachter*innen können unterirdisch sein, es wird evtl. eine längere Therapie verlangt. Die Krankenkasse könnte auf die Einnahme von Hormonen bestehen, wenn ihr sie um eine Kostenübernahme der OP bittet. Wenn mensch das nicht will, muss mensch die OP selbst bezahlen oder die Krankenkasse mit unbekanntem Ausgang verklagen. Dieser Teil bleibt einfach immer gleich, egal welchen Weg ihr wählt. Am Ende wird die Krankenkasse die Kosten vermutlich nicht übernehmen.
Also auch hier das Fazit: Geld, Geld, Geld, das Ganze kann sehr teuer werden.
Hürde Nr. 2: die Klinik
Wenn ihr dann bestenfalls die zwei Gutachten in der Tasche habt, geht es an die nicht immer einfache Suche nach einer Klinik beziehungsweise einem*einer Chirurg*in. Hier trifft mensch auf eine Bandbreite über ganz Deutschland verteilt. Die Anforderungen der Klinik an das Gutachten sind so unterschiedlich wie deren Erfahrungen mit (nicht-binären) trans Personen. Wir sind nicht sicher, wie okay es für die Kliniken wäre, sie öffentlich zu benennen. Schreibt uns aber gerne an, wenn ihr auf Kliniksuche seid. Es gibt zum Beispiel eine Klinik in Mitteldeutschland, die für Selbstzahler*innen ohne Gutachten operiert, und eine in Süddeutschland, die zumindest ohne explizit psychiatrische Gutachten operiert hat (eine Stellungnahme von dem*der seit einem Dreivierteljahr behandelnden*behandelnder Therapeut*in hat genügt). Edit: Als Reaktion auf diesen Artikel haben wir von einer Klinik in Ostdeutschland erfahren, die ebenso Selbstzahler*innen ohne Gutachten operiert.
Es sollte auf jeden Fall eine Klinik für plastische Chirurgie sein, die sich bestenfalls auf trans Personen spezialisiert hat. Da gibt es einige in Deutschland. Websites wie transmann.de oder transbuddies.net listen solche Kliniken. Die Klinik-„Profis“ der Branche, die in der Woche mindestens fünf trans Männer operieren, haben den Vorteil, dass sie inzwischen meist auch schon etwas Ahnung von nicht-binären Personen haben und mensch auch nicht ständig misgendert wird. Demgegenüber haben sie aber den Nachteil, dass die Wartelisten mitunter lang sind. Wobei Masteks in der Regel kürzere Wartezeiten haben als etwa ein Penisaufbau. Es gibt Kliniken, die die Mastek mit einem stationären Aufenthalt von circa vier Tagen durchführen, und es gibt seriöse Praxen, die den Eingriff sogar ambulant durchführen. Letzteres verkürzt die Wartezeit.
Welche Kriterien sind wichtig für die Entscheidung für eine Klinik?
Natürlich gibt es große Unterschiede im Preis. Wobei der Wohlfühlfaktor und die persönliche Präferenz entscheidend sein sollten. Macht einen Beratungstermin in einer Klinik, stellt viele Fragen, lasst euch Ergebnisse der Chirurg*innen zeigen, fragt nach dem genauen Ablauf der Operation. Wenn euch die Klinik nicht zusagt oder ihr ein ungutes oder unsicheres Gefühl habt, schaut euch noch eine andere Klinik an. Kein*e Chirurg*in ist sauer, wenn ihr euch am Ende gegen sie entscheidet. Und selbst wenn: Es ist euer Körper, und es soll euch gut gehen mit der Operation und dem Drumherum.
Sobald ihr euch für eine Klinik entschieden habt, lasst euch einen Kostenvoranschlag machen und schickt diesen an eure Krankenkasse. Manchmal schicken die Kliniken diesen auch selbst an die Krankenkassen. Fragt nach, welcher Ablauf jeweils gewünscht ist.
Hürde Nr. 3: Die Krankenkasse
Sobald ihr ein Gutachten mit entsprechender Diagnose habt, könnt ihr dieses, zusammen mit dem Kostenvoranschlag der OP (falls schon vorhanden), bei eurer Krankenkasse einreichen. Nun haben die Krankenkassen sechs Wochen Zeit, dies mit dem MDK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen) zu besprechen und euch eine Kostenzusage oder Absage zu schicken.
Für den MDK und somit alle gesetzlichen Krankenkassen sollte die S3 Leitlinie zur Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit vom AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) gelten, die 09.10.2018 veröffentlicht wurde. Allerdings halten sich die Krankenkassen leider meist nicht daran. Diese Leitlinie ist generell recht transfreundlich geschrieben und führt unter anderem den wichtigen Punkt auf, dass trans Personen nicht immer binär sind. Wörtlich ist dort festgehalten:
„Der Begriff Trans soll sowohl Menschen berücksichtigen, die eindeutig als Frau oder Mann leben (z. B. transsexuell, transident) als auch non-binäre Personen, die sich weder männlich noch weiblich identifizieren […]. Darüber hinaus impliziert der Begriff Trans nicht automatisch den Wunsch, sich mit Sexualhormonen, chirurgischen Eingriffen oder weiteren Maßnahmen (Epilation, Logopädie, etc.) behandeln zu lassen, schließt ihn allerdings auch nicht aus.“
S3 Leitlinie zur Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit vom AWMF, 09.10.2018
Außerdem wird in dieser Leitlinie davon ausgegangen, dass mindestens ein Drittel der trans Personen nicht-binär sind. Kurz gesagt: trans is a universe 🙂
Dessen ungeachtet halten sich wie geschrieben die Krankenkassen selten an diese S3 Leitlinie, und ihre Antworten fallen oft dann eher so aus: „Da das TSG für Sie nicht zuständig ist, existieren Sie nicht. Wir schlagen Ihnen eine Therapie vor bis Sie sich für eins der beiden echten Geschlechter entschieden haben. Viel Erfolg damit.“
Vorteile: eher keine
Nachteile: duh!
Möglichkeiten: Widerspruch einlegen, die Krankenkasse verklagen oder (erst einmal) selbst zahlen.
An dieser Stelle noch der Hinweis: Wenn ihr die OP ohne Kostenzusage der Krankenkasse machen lasst, dürft ihr euch nicht wegen der OP krankschreiben lassen. Das ist dann quasi euer „Privatvergnügen“ und somit müsst ihr eigentlich Urlaub einreichen. Glücklicherweise gibt es viele Hausärzt*innen, die euch trotzdem krankschreiben, dann eben nicht wegen der OP, sondern wegen allgemeiner Erschöpfung oder was auch immer. Das klingt illegaler als es ist, denn es gibt ja noch die Gutachen, die die Notwendigkeit belegen. Fakt ist ja, dass ihr aus medizinischen Gründen grad nicht arbeiten könnt. Wenn ihr eine*n gute*n Hausärzt*in habt, besprecht das am besten vor der OP mit ihr*ihm.
Wenn die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, werdet ihr von der Klinik eine erste Krankschreibung bekommen und im Anschluss von der*dem Hausärzt*in eine fortführende Krankschreibung erhalten. Das ist dann wie immer bei bewilligten Operationen.
Welcher Weg passt für mich?
So einige nicht-binäre Menschen haben es auf einem der beiden beschriebenen Wege geschafft, ihre Mastek zu bekommen. Beziehungsweise einem der drei Wege, wenn wir den Weg als trans Mann mitrechnen.
Als nicht-binäre Person eine Mastektomie oder andere Operationen zu bekommen, ist nicht einfach, denn wir sind gesetzlich (noch?) nicht vorgesehen. Es ist ein fürchterliches Gefühl, in der Logik der Welt, in der wir leben, einfach nicht vorzukommen. Das Gefühl kennen nicht-binäre Personen ja auch ohne die staatliche und medizinische Ebene schon zur Genüge. Umso wichtiger ist es, sich zu vernetzen, sich zu informieren und Verbündete zu suchen. Es gibt Interessenverbände, bei denen sich binäre wie auch nicht-binäre trans Personen informieren können, zum Beispiel die dgti. In größeren Städten gibt es außerdem oft Selbsthilfegruppen oder auch queere Anlaufstellen, bei denen ihr Informationen erhaltet. Auch einige Anwält*innen sind inzwischen schon auf trans Themen spezialisiert.
Wie haben wir es geschafft?
Sam ist den ersten Weg zum Gutachten gegangen, Katja Ken den Zweiten (siehe oben). Mit Erfolg! Trotz nervenaufreibendem Zittern bis zum Schluss und verschiedenen Rückschlägen, die wir einstecken mussten. Sam war bei der Entscheidung zur Mastek bereits seit neun Monaten in Therapie, Katja Ken hat keine Therapie gemacht und sich das Gutachten von einem*einer Therapeut*in nach einzelnen Sitzungen ausstellen lassen. Wir beide hatten vorher keine Hormone genommen und haben dies bisher auch nicht vor.
Katja Ken hat die Operation 2020 direkt selbst gezahlt, da die Kostenübernahme durch die Krankenkasse sehr unwahrscheinlich war. Bei Sam wurde die Kostenübernahme 2019 durch die Krankenkasse abgelehnt, woraufhin sier sich das Geld geliehen und auch alles selbst gezahlt hat. Außerdem ist Sam den Schritt gegangen, die Krankenkasse zu verklagen. Bis heute (fast 3 Jahre später) steht das Urteil noch aus! Bei Sam war 2021 noch eine Korrektur-OP nötig, deren Kosten von der Krankenkasse dann einfach übernommen wurden. Niemand weiß warum.
Zuletzt ist Sam dann 2021 noch den Weg über das TSG gegangen, um den Geschlechtseintrag in divers und den Vornamen ändern zu lassen und hat dafür zusätzlich 1.400 Euro für die Gutachten und Gerichtskosten gezahlt. Wie durch ein Wunder hat Katja Ken sienen Zweitnamen einfach so ändern dürfen (auch Standesämter ticken offenbar sehr unterschiedlich!). Sier wartet mit dem Geschlechtseintrag jedoch noch auf das neue Selbstbestimmungsgesetz.
Der Weg zum selfmade enby
Von der rechtlichen wie medizinischen Seite scheint alles jenseits von Logik und realen Bedürfnissen und Notwendigkeiten zu sein. Wir sind beide einfach nur froh, dass wir die OPs machen konnten, und dass wir so privilegiert sind, das nötige Geld aufbringen zu können – bei uns lagen die reinen OP-Kosten bei um die 5.000/6.000 Euro (plus Anreise, Übernachtung, Kompressionsweste, Salben, Schmerzmittel und solche Dinge).
Die Entscheidung für die Mastek haben wir beide keine Sekunde bereut und sind jetzt (Katja Ken anderthalb Jahre und Sam zweieinhalb Jahre nach der OP), immer noch erstaunt, wie glücklich sie uns immer noch und jeden Tag aufs Neue macht. Fortune favours the brave! Es hätte auch alles nicht klappen können – wir haben allen Mut zusammen genommen und es trotzdem probiert. Wir sind jeden Tag froh über diese Entscheidung.
Wenn ihr Fragen zu diesem Thema habt, schreibt uns gern. Natürlich sind all unsere Wege unterschiedlich, aber oft hilft es ja, die verschiedenen Erfahrungen von trans Personen zu hören.
Edit: Wir haben inzwischen auch einige kleine, deutschsprachige Videos zu dem Thema auf Instagram und TikTok veröffentlicht. Hier findet ihr die Liste und Links: