*Das erste Wort des Titels spielt an auf die Titelmelodie der Kochclips von Isa Chandra Moskowitz („Salt“ von Kelley Deal).
Eine meiner großen Fernsehschwächen ist eine große Begeisterung für Kochsendungen. Ich kann es nicht erklären, aber anderen Menschen beim Kochen zuzusehen und dabei selbst auf dem Sofa zu sitzen, beruhigt mich. Oft über Stunden hinweg. Seit mein Fernseher seit kurzem nicht mehr nur die herkömmlichen, sondern auch viele Programme aus England und US-Amerika zeigt, schaue ich noch viel mehr Kochshows als zuvor.
Das deutsche Fernsehen konnte mich auch hier nie so richtig überzeugen, obwohl ich mir viel Mühe gegeben habe, Kochsendungen zu testen. Alle deutschen Kochduelle und sonstige Kochwettbewerbe machen mir kaum Spaß, und auch die biederen Versuche, Pfiff und Kreativität in deutsche Kochsendungen zu bringen, sind meist nur schrecklich peinlich (auf Anfrage nenne ich gern auch konkrete Beispiele). Die Moderator_innen scheinen hier kaum Interesse zu haben, ihre Gäste (eigentlich ja die Stars der Sendung) überhaupt zu Worte kommen zu lassen. Natürlich hat es das deutsche Fernsehen bei mir generell schwer, schon allein wegen der traditionell geringen Qualität und so weiter.
Hin und wieder jedoch schaue ich mir beim beiläufigen Durchzappen „Die Küchenchefs“ (bzw. früher „Die Kochprofis“) an. Eine Sendung mit 2-3 wechselnden, berühmten Köchen, die in schlecht laufende Restaurants kommen, um den Betrieb doch noch zu retten. Ich bin zumindest immer gespannt, welches verrückte Bandshirt Olaf Plogstedt diesmal tragen wird, und außerdem hat Andreas Schweiger zeitweise die tollste Frisur überhaupt (die in meinem Spiegel nämlich auch oft zu sehen ist). Die Sendung ist nur durch Cis-Männer besetzt, und da Kochen von und für Männer natürlich prinzipiell immer ein wenig “getuned” werden muss, damit es auch wirklich cool ist und auch so richtig hart und roh wirkt, kommt das Showdesign in rot-schwarz oder in metallic blau daher, und die Teaser werden mit schwarzer Kochkleidung, riesigen Messern oder mindestens mit Flammen und harten Gitarrenriffs im Hintergrund aufgemotzt. Ich frage mich ja manchmal, ob das absichtlich so übersteigert ist und selbstironisch sein soll oder ob der Auftritt ernst gemeint ist.
Clip: Die Küchenchefs mit Trailer
Das Pendant bzw. eine Vorbildsendung von den „Küchenchefs“ ist sicherlich „Kitchen Nightmares“ mit dem teilweise sehr fiesen Koch Gordon Ramsay aus Groß Britannien, der die Restaurantbesitzer_innen gern mal zusammenschreit oder mit irrem Blick und drohendem Zeigefinger beleidigt. Aber es gibt noch mehr tolle englischsprachige Kochshows in meinem Fernsehprogramm. Fast alle ihre Protagonist_innen sind Profiköch_innen und schon lange im Fernsehen und meist auch als Autor_innen von Kochbüchern unterwegs.
“Exotische” Länder
Am bekanntesten sind vermutlich Kochsendungen, die sich mit anderen, teilweise fernen Ländern beschäftigen. Rick Stein ist z. B. in einer Sendung in Ländern Asiens unterwegs und in einer weiteren Sendung in Spanien. Al Brown reist mit seinem alten Pickup Truck durch Neuseeland und kocht mit den Lebensmitteln, die ihm quasi vor die Füße fallen. James Martin aus Groß Britannien wiederum ist mit einer Sendung rund ums Mittelmeer unterwegs und zeigt entsprechend mediterrane Gerichte. In Groß Britannien ist er eher für schnelles und einfaches britisches Essen oder auch für Nachspeisen bekannt (der tollste Titel von ihm ist „United Cakes of America“). In seiner Mittelmeersendung bereitet er das Essen oft auf einem Bootsdeck zu. Das ist übrigens ein weit verbreiteter Spleen: das Kochen in der Natur! Besonders Köch_innen, die sich den Rezepten aus Skandinavien, Grönland und so weiter („Arctic Cuisine“) widmen, haben meist ihre „Outdoor Kitchen“ dabei. Volunder Volundarson („Volli“) reist und kocht in Island (Zitat: „ein magischer Ort“). Mit Kopftuch und „Norwegerpulli“ bekleidet erklimmt er die höchsten Berge und fischt in den kältesten Meeren. Locker aus der Hand flambiert er dann auf Deck den gefangenen Fisch. Diese Sendung wird vermutlich nur noch von Chris Coubrough übertrumpft, dessen Kochshow in Grönland spielt. Er wandert über Gletscher, fährt auf Booten und sitzt am Ende des Tages mit einem Bierchen in der Hand in einer warmen Quelle. Zwischendurch werden noch verschiedene Extremsportarten ausprobiert oder auch auf Robbenjagd gegangen. Für die Zubereitung baut er sich aus Steinen einen Herd oder Ofen und bereitet das Essen direkt vor der beeindruckenden Gletscherkulisse zu. Dabei wird er als „Abenteurer“ und „Lebenskünstler“ angepriesen, als hätte er gerade eben höchstpersönlich Grönland entdeckt. Andreas Viestad kocht in der Sendung „Nordlichter“ skandinavisches Essen, vor allem Fisch. Neulich sah ich eine Folge, in der er aus einem alten Kühlschrank eine Räucherkammer gebaut und darin dann kleine Fische geräuchert hat. In der „Wildniss“ muss man(n) sich halt zu helfen wissen, da gibt’s ja offenbar sonst nichts.
Politisches Bewusstsein wecken
Wenn es um Fische geht, wird meist auch die Überfischung der Weltmeere thematisiert. Hugh Fearnley-Whittingstall hat z. B. mit „Fish Fight“ eine ganze Sendung bzw. Kampagne diesem Thema gewidmet und kämpft dort mit britischen Fischer_innen für und gegen europäische bzw. weltweite Gesetze oder diskutiert auch mal in Parlamenten über Fischfang. Auch mit seiner Sendung „Chicken Out!“, die sich der Zucht von Hühnern widmet, versucht er, bei seinen Zuschauer_innen ein kritisches Bewusstsein für die Nahrungsmittelproduktion zu wecken. Auch faszinierend in diesem Kontext: Die britische Sendung „Kill it, Cook it, Eat it“, in der Menschen Tiere töten und essen sollen, die sie vorher lebendig kennengelernt, gestreichelt und gefüttert haben. Sehr reißerisch aufgemacht, bleibt die Sendung allerdings meist ohne größeres Umdenken bei den Teilnehmer_innen. Zwischendurch ekeln sie sich vielleicht mal und diskutieren schräge Thesen, aber im Großen und Ganzen essen die Fleischesser_innen auch nach ihren Erlebnissen noch Fleisch und die Veganer_innen ernähren sich auch danach weiterhin vegan.
Clip: „Kill it, Cook it, Eat it“ mit Teil 1 der Burger-Episode
Schnell, einfach und natürlich
Es gibt eine große Gruppe von „back to the roots“ Köch_innen, die mit einfachen Zutaten und einfachen Rezepten versuchen, leckeres und meist auch gesundes Essen zuzubereiten. Nigel Slater kocht oft in seiner privaten, großen, hellen Küche, die einen Hinterausgang in den noch größeren Garten samt Gemüse- und Kräuterbeet hat. Er betont beim Kochen stets die Aromen, Kräuter und Gewürze in seinem Essen, die so sensationell und doch altbekannt sind. Jamie Oliver ist vermutlich mit am bekanntesten dafür, dass er seit einiger Zeit den britischen Schulküchen den Kampf angesagt hat und dort langfristig gesundes Essen einführen möchte. In seinen Kochsendungen geht es vor allem darum, nicht viel Zeit für das Kochen zu benötigen, daher auch seine 30-Minuten-Menüs. Sein Verhalten in der Küche wirkt oft kindlich mit viel Chaos, Kleckern und Finger ablecken. So wirklich gesund oder lecker finde ich seine Rezepte selten, nicht zuletzt weil er am Schluss immer alles in absurden Mengen an Olivenöl ertränkt. Aber das scheint wohl sein Markenzeichen zu sein. Ansonsten bringt er gern mal Mitglieder seiner Familie in die Sendung, z. B. um seine Großmutter zu einem traditionellen Weihnachtsrezept zu interviewen. Die irische Köchin Catherine Fulvio legt auch viel Wert auf ihre Familie und betont in ihrer Sendung, wie schön es ist, mit Ehemann und Kindern am Tisch gemeinsam zu essen, manchmal noch mit extra dazugebetenen Freund_innen. Passenderweise heißt ihre Sendung auch „Catherine’s Family Kitchen“. Meine Lieblings Köch_in aus der Gruppe „back to the roots“ ist definitiv die Amerikanerin Anne Burrell, deren Sendung auf deutsch „Edle Küche hausgemacht“ heißt, im Original „Secrets of a Restaurant Chef“. Ihr Motto ist: „Remember, you don’t have to be a restaurant chef to cook like one!” Sie spricht sehr leidenschaftlich über und mit ihrem Essen und nennt es während des Zubereitens „Baby“. Anschließend bezeichnet sie ihr Gemüse oder ein dutzend Mini-Schmorbraten als „girls“ oder „bad boys“ – wann sie welche Gender-Bezeichnung verwendet, habe ich bisher noch nicht so ganz durchschaut, schräg ist es auf jeden Fall. Ein Running-Gag und fast ein Drinking-Game in meinem Wohnzimmer ist, wie Anne Burrell eine „Prise Salz“ immer mit voller Hand aus dem Salztopf schöpft und zwar mehrmals pro Gericht. Es ist vorhersehbar, dass sie nach jedem Probieren ihres Essens behauptet, da fehle unbedingt noch ein „wenig“ Salz. Sie ist witzig, laut, chaotisch, aber professionell, ein wenig schräg, und es macht mir tatsächlich Spaß, ihr beim Kochen zuzusehen.
Clip: Anne Burrell mit Focaccia
Sicherlich ist es recht stereotyp, dass mit Anne Burrell ausgerechnet eine Frau* die sinnliche Herangehensweise ans Kochen hat und eine fast schon erotische Beziehung zu ihrem Essen performt. Catherine Fulvio als weitere Frau* betont das familiäre Zusammenkommen beim Essen, während Nigel Slater wie ein Künstler kreativ aus dem Vollen seines bunten Gartens schöpft und Jamie Oliver als kindhafter Rabauke durch die Küche toben darf.
Die Edelköche
Sehr betont wird bei einigen Köch_innen ihr exquisiter Ansatz und die erlesenen Zutaten der Gerichte, z. B. bei dem Autodidakten und inzwischen Sternekoch Raymond Blanc oder bei Emmy-Gewinner und auch Sternekoch Eric Ripert. Raymond Blanc betont das Lebendige seiner Kochweise und bezeichnet diese manchmal auch als „Alchemie“ (Vorgängerin von Chemie und Pharmakologie, die sich mit der Verwandlung von Stoffen beschäftigte und früher als hohe Kunst angesehen wurde). Der New Yorker Eric Ripert, der im deutschen Trailer als „Charmeur und Superstar“ bezeichnet wird, hat eine Sendung namens „Avec Eric – Feinste Genießerküche“, die mal in den USA spielt, mal in Italien, aber immer an Orten, an denen er feinste Zutaten sammelt und dies meist mitten in der Natur: auf dem Meer, in einer Imkerei oder auch inmitten einer Wildjagd. Während er dann beim Essen seiner Kreationen gezeigt wird, darf ein großes Glas Rotwein nicht fehlen, mit dem elegant auf das tote Wildschwein (oder so) angestoßen wird.
Boys will be boys?
Beim Thema „Fleisch“ schließt sich wieder der Kreis zu der großen Gruppe der männlichen Köche. In der Sendung „Zart & Saftig – die besten Fleischgerichte“ zeigt Adrian Richardson quälend viele Rezepte dazu, wie man die unterschiedlichsten Fleischsorten kochen, backen, braten, marinieren (und massieren!) kann. Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben mit dem Namen: „Meat“.
Clip: Adrian Richardson mit Schweinchenrezept
Mindestens genauso männlich sind die „Hairy Bikers“ Dave Myers und Simon King, die mit ihren Motorrädern durch die Welt fahren, zwar keine ausgebildeten Köche sind, aber gutes Essen lieben. Da wird durchaus auch mal ein komplettes Essen für ein paar Stunden an den Motoren ihrer Bikes warmgehalten. Weil sie es können. Auch ganz klar Männersache, weil im Titel schon gesagt: „Boys Weekend – Kochen ist Männersache“. Bei dieser Sendung treffen sich der Brite Guy Mehigan, der Franzose Manu Miguel, der Spanier Miguel Maestre und der Australier Adrian Richardson (der von eben mit dem Fleischbuch) und verbringen zusammen ein Wochenende, an dem jeder von ihnen mal kochen darf – oder muss, weil er beim Pokern verloren hat. Am beliebtesten sind ein deftiges Katerfrühstück oder in Zeitung gegrillte Fische am Strand, am besten zuvor selbst mit Holzspeeren erlegt. Und wenn doch mal kein Bier sondern ein hübscher roter Cocktail serviert wird, muss danach dringend eine Verfolgungsjagd mit Holzknüppel am Strand folgen, eine wahnsinnig schnelle Fahrt mit einem Motorboot oder ein riesiges Feuer in der Wildnis.
Online Köch_innen
Zum Glück habe ich auch im Internet Lieblingsköch_innen, auf die ich ausweichen kann, wenn mein Fernseher doch mal nur unspannende Kochsendungen zeigt: allen voran Isa Chandra Moskowitz mit ihrer Website Post Punk Kitchen, die sich mit veganem Kochen und Backen beschäftigt. Ihre Videos sind kurz, witzig und kreativ und haben außerdem eine Titelmelodie von Kelley Deal (von der Band „The Breeders“). Und alles, was ich bisher von Isa nachgekocht habe, war für mich und alle Mitessenden großartig. Naja, abgesehen von den Rosmarin-Schokokeksen, dafür ist die Welt glaube ich noch nicht bereit, und ich war die einzige, die sie mochte:
Clip: Isa Chandra Moskowitz mit Rosemary Chocolate Chip Cookies
Abgesehen von veganen Rezepten habe ich eine ebenso nicht geheime Liebe für indisches Essen und bin Fan von Show Me The Curry, von denen es auch einen YouTube-Channel gibt. Dort kochen Hetal Jannu und Anuja Balasubramanian und zeigen oft einfache und immer leckere Rezepte. Mein indisches Lieblingsbrot ist schon ewig: Bhatura.
Clip: Show Me The Curry mit Bhatura