Oder: Der Niedergang einer Beziehung
Als die Serie “The Big Bang Theorie” 2007 startete, war ich noch hin- und hergerissen, wie schlimm ich die Serie wirklich finden sollte. Argumente für die Serie: unterhaltsame Nerd-und Popkultur-Themen, inzwischen auch mehr als nur eine Frau in Hauptrollen, die Entwicklung von Penny hin zur selbstbewussten, schlagfertigen Nachbarin der Nerd-WGs. Gegen die Serie: Sexistische Witze, platte homoerotische Anspielungen zwischen Amy und Penny, nerviges Lustigmachen über Rajesh’s Femininität, und so weiter.
Gerade die Contras von damals sind in der Zwischenzeit nur noch schlimmer geworden, und zu den Pro-Argumenten sind leider keine neuen hinzugekommen. Inzwischen sind auch noch alle Hauptcharaktere in langweiligen, romantischen Beziehungen miteinander verbandelt, und auch die ehemals coole asexuelle und aromantische Beziehung zwischen Sheldon und Amy (“Shamy”) hat so gar nichts mehr von ihrem damaligen Charme. Stattdessen hat Amy längst ihr sexuelles Begehren entdeckt und bedrängt Sheldon damit, der sich langsam, aber immer mehr zu körperlichen Zuneigungen Amy gegenüber bekennt. Allerdings wachsen seine sexistischen Aussagen und paternalistischen Ansichten zeitgleich mit dem Grad an zugestandener Körperlichkeit.
Die Beziehung der beiden besteht also hauptsächlich aus einer traurigen Amy, deren Wünsche nach einer sexuellen Beziehung mit Sheldon nicht in Erfüllung gehen, sowie einem sexistischen und egozentrischen Sheldon mit schlimmen Witzen. Es ist wirklich schmerzhaft, anzusehen. Vor allem hat es mich einfach geärgert: Amy und Sheldon waren so ein cooles, asexuelles Pärchen, wie ich es noch nie zuvor im TV gesehen hatte. Okay, sie waren vor allem zu Beginn ihres Aufeinandertreffens durchaus übertrieben steril in ihrer sachlichen Wissenschaftlichkeit. Und generell nervt diese unausgesprochene Darstellung von Autismus in nerdigen weißen cis Männern, wie wir sie auch aus anderen Serien kennen. Aber ich fand den Mangel an zwischenmenschlichem Drama eigentlich sehr angenehm.
Umso erfreuter war ich, als Amy sich Ende der 8. Staffel von Sheldon trennte. Nicht dass ich an eine Sitcom so hohe Erwartungen an Realitätsnähe hätte, aber die Beziehung der beiden war eigentlich nicht mal auf Comedy-Ebene nachvollziehbar. Absurderweise zog Sheldon nach der Trennung dann einen Ring aus der Schreibtischschublade mit dem Hinweis, dass er Amy einen Heiratsantrag machen wollte. Es war mehr als seltsam. Das Gucken der aktuell anlaufenden Staffel 9 hatte ich nun einige Wochen vor mich hergeschoben, aus Angst, dass die Trennung der beiden direkt wieder aufgehoben würde. Doch zum Glück war das (noch) nicht der Fall. Die Trennung besteht nach wie vor, doch ist leider auch Sheldon übergriffig wie zuvor, er stalkt Amy, berücksichtigt in keinster Weise ihren Wunsch nach Abstand, und er postet ein “Fun with Flag”-Video, in dem er sich metaphorisch über Amy auslässt, sie diffarmiert und herabwürdigt.
Es ist so schade, dass die Serie so schlecht geworden ist – nicht, dass sie jemals wirklich brilliant gewesen wäre. In meiner Hoffnung nutzt Amy nun die Trennung als Chance dazu, neue Menschen kennenzulernen, statt dass sich ihr Leben weiterhin um Sheldon dreht, der sie ohnehin nicht zu schätzen weiß. Oder sie realisiert, dass sie keine andere Menschen auf sexueller Ebene braucht und/oder findet zurück zu ihrem aromantischen Selbst ihrer Anfänge in der Serie. Aber vermutlich wird all das nicht eintreffen, sondern sie und Sheldon kommen wieder zusammen und heiraten als ein weiteres der vier Hauptpärchen der Serie.
Wäre ich kein_e Fernsehwissenschaftler_in, wüsste ich nicht, ob ich die Serie noch weitergucken würde.
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